Wappen: in Blau steigender, siebenmal rot-weiß geteilter Löwe; zwischen seinen Hinterpranken der Deutschordensschild

Bedeutung und wappengeschichtliche Herkunft

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Der Löwe als Symbol

Dass der Löwe nachweislich das – noch vor dem Adler – am häufigsten verwendete Wappen­tier ist, liegt vor allem in seiner vieldeutigen und positiv besetzten Symbolkraft begründet. Die Zuschreibung von Charaktereigenschaften und Wesensformen des Löwen reichen dabei bis in die Zeit des Altertums zurück. Am prägnantesten ist seine Rolle als König der Tiere, oder besser gesagt der Landtiere, denn Fischen und Vögeln kann er nichts anhaben. Wie kaum ein zweiter Vertreter des Tierreichs ist der Löwe ein Sinnbild für naturgegebene Stärke, Ge­wandtheit, Tapferkeit und ein imposantes Auftreten. Er symbolisiert Macht und Herr­schaftsanspruch. Nicht ohne Grund stellt deshalb der Physiologus („der Naturkundige“), ein um 200 n. Chr. entstandenes Werk eines unbekannt gebliebenen Autors, den Löwen an den Anfang seiner 55 Tierbeschreibungen. Hier wird der Löwe sogar mit Bibelzitaten in einem Gleichnis zu Christus vorgestellt. Auch Adson von Melk, der Novize aus Umberto Ecos weltbekanntem Mittelalterroman „Der Name der Rose“ beurteilt den Löwen als Tier, dass „alle Merkmale der entsetzlichsten und der majestätischsten Wesen gleichsam in sich vereint“.

Dieses über Generationen hinweg transportierte Bild und das Erlebnis der eigenen Anschauung des Löwen, wozu christliche Kreuzritter im Mittelmeerraum die Gelegenheit hatten, ließen das Tier zum idealen Zeichen für den von Tugendvorstellungen, christlichen Werten und politischem Herrschaftsanspruch geprägten Adels Europas werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass bei Aufkommen des hochmittelalterlichen Wappenwesens der Löwe immer öfter im Schild des ritterlichen Adels Platz fand. Diese Entwicklung setzte sich unvermindert fort und führte bis ins 18. Jahrhundert hinein zu einer fast inflationären Verwendung des Löwen als Wappentier. Die Motivation zur Wahl des Löwen für das eigene Wappen war dabei aber von Anfang an dieselbe: man versuchte das Wesen des Tieres durch ein Bild einzufangen, um als Träger bzw. bildlicher Wappenführer Anteil am Wesen des Löwen zu gewinnen.

Die Herkunft des hessischen Löwen

Die Wahl des Löwen als hessisches Wappentier geht im Grundsatz nicht auf hessische, sondern thüringische Landesherrn zurück. Diese historische Tatsache liegt darin begründet, dass bei Aufkommen der Wappenführung des Adels zu Beginn des 12. Jahrhunderts Hessen noch gar kein eigenständiges Territorium war. Vielmehr gehörten die hessischen Gebiete als westlicher Teil zum Einflussbereich der regierenden Landgrafen von Thüringen (Ludo­winger). Diese führten den Löwen bereits seit Mitte der 1180er Jahre – nach der Erwerbung der sächsischen Pfalz unter Landgraf Ludwig III. von Thüringen († 1190) – im Wappen. Nachdem jedoch 1247 mit dem Tod des thüringischen Land­grafen Heinrich Raspe IV. (1204–1247), immerhin Gegenkönig des Hohenstaufers Friedrichs II., die männliche Linie der Ludowinger ausstarb, entbrannte unter den Enkeln ein Streit um die Nachfolge. Am Ende des sich daraus entwickelnden thüringisch-hessischen Erbfolgekrieges stand mit den Langsdorfer Verträgen von 1263 die Teilung der Herrschaft. Die hessischen Landesteile wurden Sophie von Brabant, Witwe Herzog Heinrichs II. von Brabant († 1248), für ihren minderjährigen Sohn Heinrich genannt „das Kind“ zugesprochen. Damit erhielt Hessen im Jahr 1264 seine politische Selbstständigkeit.

Mit der Regierungsübernahme Landgraf Heinrichs I. (1244–1308) als erstem Landgraf von Hessen und hessischen Reichsfürsten stellte sich nun auch die Frage der eigenen Wappen­führung. Im Normalfall hätte er sicher das Wappen des Vaters, den goldenen Brabanter Löwen in schwarzem Feld, übernommen. Doch angesichts des ihm erst nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung zuerkannten hessischen Territoriums, das es im Reichsverband erst zu etablieren galt, entschied er sich für das von mütterlicher Seite ererbte Wappen der Land­grafen von Thüringen. Die Wappenwahl war somit in erster Linie eine politische Entscheidung. Das Wappen der ehemaligen Landgrafen von Thüringen anzunehmen, sollte weithin sichtbar den Rechtsanspruch auf das hessische Gebiet dokumentieren. Landgraf Heinrich I. von Hessen vollzog insofern eine Übertragung des Wappens von Thüringen auf Hessen. Damit wurde gleichzeitig eine Wappentradition begründet, die den nunmehr hessischen Löwen als ursprüng­liches Geschlechtswappen der Landgrafen, Kurfürsten und Groß­herzöge von Hessen zum neuzeitlichen Gebietswappen für den Staat und das heutige Bundesland Hessen mit seinen Bürger­innen und Bürgern werden ließ.

Der Ursprung des „bunten“ Wappentiers

Die Bezeichnung „Bunter Löwe“ als halboffizieller Beiname des hessischen Wappenlöwen resultiert aus seiner bereits seit dem 13. Jahrhundert nachweisbaren Farbgebung. Die einzig­artige Kombination aus einem blauen Schild mit dem von Silber und Rot mehrfach geteilten Löwen ist bis heute für das thüringisch-hessische Wappentier unverwechselbar geblieben. Jedoch ist der Ursprung der Farbwahl – insbesondere die farbige Teilung des Löwen – um­stritten. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurde davon ausgegangen, dass die Mehrfach­teilung des thüringischen Löwen aus einer Wappenvereinigung nach der 1221 erfolgten Hochzeit Landgraf Ludwigs IV. von Thüringen (1217–1227) mit der ungarischen Königs­tochter und 1235 heiliggesprochenen Elisabeth (1207–1231) stamme. Demnach hätte der Löwe die rot-silbernen Teilungen aus dem altungarischen Wappen (siebenfach von Rot und Silber geteilt) übernommen, um Elisabeths Abstammung vom ungarischen König Andreas II. (1177–1235) zu dokumentieren. Heute ist diese Interpretation mit Sicherheit in das Reich der auch in anderen Adelshäusern vorkommenden Wappensagen zu verweisen. Schließlich lässt sich die farbige Teilung des thüringischen Löwen spätestens seit 1210, also weit vor Elisabeths Ehe­schließung, belegen.

Eine überzeugendere Erklärung für den „bunten Löwen“ bietet der Bezug zu den Wappenfarben des Erzbistums Mainz (in Rot ein silbernes Rad). Da die thüringischen und hessischen Landgrafen den Ehrentitel eines Mainzer Erbmarschalls führten, könnte dies durchaus der Anlass gewesen sein, um die Farben Rot und Weiß (Silber) in ihr Wappen aufzunehmen. Die farblichen Teilungen des Löwen wären damit ein direkter Verweis auf die bestandenen Beziehungen der thüringisch-hessischen Landesherren zum Mainzer Erzbischof. Ein letztgültiger Quellenbeleg für diese Annahme kann jedoch auch hier nicht angeführt werden. Gleiches gilt für die Festlegung der Anzahl der Teilungen des Löwen, für die während des Mittelalters und in der Frühen Neuzeit offenbar keine konsequente Handhabung existierte. Das Spektrum reicht hier von drei bis zehn Teilungen, wobei in der Regel sieben oder neun verwendet wurden. Noch im 18. Jahrhundert diskutierten die Gelehrten in Darmstadt und Kassel über die korrekte Anzahl der Teilungen des hessischen Löwen. Ebenso war die Reihenfolge der roten und silbernen Streifen lange Zeit nicht eindeutig definiert. Die beiden Varianten Rot-Silber bzw. Silber-Rot treten wechselweise und sogar zeitlich parallel auf. Eine gesetzliche Normierung des hessischen Wappens wurde erst im Jahre 1902 vorgenommen. Nunmehr erhielt der „Bunte Löwe“ amtlich – beginnend mit dem Metall Silber – neun Teilungen (zehn Streifen). In dieser Form besteht er bis heute im Wappen des Bundeslandes Hessen fort.

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