Das schrieb Fritz Bauer 1955. Er war damals Generalstaatsanwalt in Braunschweig und hatte seine größte Aufgabe noch vor sich. Bauer wurde am 16. Juli 1903 als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Stuttgart geboren. Er studierte Jura in Heidelberg, München und Tübingen.
Gefangenschaft und Flucht während der NS-Zeit
1925 wurde er von dem späteren hessischen Ministerpräsidenten Karl Geiler promoviert und arbeitete nach seiner zweiten Staatsprüfung als Richter. Da er sich als Mitbegründer des Republikanischen Richterbunds und als Funktionär des SPD-nahen Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold politisch betätigt hatte, wurde er nach der nationalsozialistischen Machtergreifung verhaftet und acht Monate lang im Konzentrationslager Heuberg gefangen gehalten. Um weiteren Verhaftungen zu entgehen, floh er 1936 nach Dänemark. Aber auch das war kein sicheres Exil. Denn das kleine Land wurde während des Zweiten Weltkriegs von deutschen Truppen besetzt. Als 1943 die Deportationen der dänischen Juden begannen, floh Bauer erneut, dieses Mal in das neutrale Schweden.
Rückkehr in das Land der Verfolgung
1949 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde zunächst Landgerichtsdirektor und dann Generalstaatsanwalt in Braunschweig, ehe ihn Ministerpräsident Zinn als Generalstaatsanwalt nach Frankfurt holte. Bauer war in das Land seiner Verfolgung zurückgekehrt, weil er mithelfen wollte, auf den Trümmern des NS-Staates eine neue demokratische Bundesrepublik aufzubauen, die sich zu ihrer Verantwortung für das nationalsozialistische Unrecht bekannte. Aber er musste bitter enttäuscht feststellen, dass die alten Strukturen teilweise noch intakt waren, dass alte Seilschaften weiterhin glänzend funktionierten. Er fand keine aufrichtige Bereitschaft, sich mit den Verbrechen des NS-Regimes und mit der persönlichen Schuld jedes Einzelnen auseinanderzusetzen.
Von vielen Deutschen wurde die NS-Diktatur nicht als Unrechtsstaat angesehen – auch von führenden Juristen nicht. „Die Selbstreinigung der Justiz“, stellt die Bauer-Biographin Irmtrud Wojak fest, „war schon deshalb in den ersten Jahren der Bundesrepublik nicht vorangekommen, weil nach wie vor eine personelle Kontinuität bestand und die während des NS-Regimes tätigen Richter und Staatsanwälte weitgehend die Positionen behaupteten“. Dass sich Bauer nicht entmutigen ließ und im Januar 1959 begann, die Verbrechen im Vernichtungslager Auschwitz vor Gericht zu bringen, ist für die Geschichte der Bundesrepublik von herausragender Bedeutung. Bis dahin hatten die Täter unbehelligt im Westen Deutschlands leben können.
Der Auschwitz-Prozess: Aufklärung der Gräueltaten
Vor diesem politischen Hintergrund wurde von der Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen über 1.200 Beschuldigte ermittelt und wurden mehr als 1.000 Zeugen befragt. Ende Dezember 1963 begann die Hauptverhandlung gegen 22 Angeklagte wegen Mordes bzw. Beihilfe zum Mord. Die Täter hatten plötzlich Namen, Stimmen und Gesichter. In 20 Monaten vernahm das Gericht 360 Zeugen, darunter 211 Auschwitz-Überlebende, die zum ersten Mal berichten konnten, was sie erlebt hatten. Was die Öffentlichkeit über die unvorstellbaren Gräuel und die menschenverachtende Grausamkeit der SS-Bewacher in dem Vernichtungslager erfuhr, wollten viele Deutsche zunächst nicht glauben. Aber die präzise geführten Ermittlungen und die sorgsam vorbereiteten Prozessunterlagen von Fritz Bauer widerlegten jeden Zweifel.
Den Auschwitz-Prozess konnte er noch abschließen. Die von ihm jahrelang vorbereiteten Verfahren gegen die juristischen Helfershelfer der „Euthanasie“-Morde wurden dagegen bald nach seinem frühen Tod am 1. Juli 1968 eingestellt. Auch die Strafen im Auschwitz-Prozess waren eher milde ausgefallen, weil ein Teil der Angeklagten nicht als Täter (zu lebenslangem Zuchthaus), sondern „in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung als bloße Gehilfen“ verurteilt wurde, wie Werner Renz vom Frankfurter Fritz Bauer Institut feststellte, das sich heute – in Erinnerung an seinen Namensgeber – der Erforschung und Dokumentation des Holocaust widmet.